Warum das Notariat im Immobilienrecht unverzichtbar ist und die Blockchain kein Ersatz für das Grundbuch sein kann
Warum das Notariat im Immobilienrecht unverzichtbar ist und die Blockchain kein Ersatz für das Grundbuch sein kann
In Deutschland spielen Notare eine zentrale Rolle bei Immobiliengeschäften. Immer wieder wird im Hinblick auf die hohen Erwerbsnebenkosten gefordert, die Beurkundungspflicht für Immobiliengeschäfte abzuschaffen, um Transaktionskosten zu senken, und bisweilen auch, das Grundbuch durch eine Blockchain zu ersetzen. Eine tiefere Betrachtung zeigt jedoch, dass die Abschaffung der Beurkundungspflicht nicht nur unnötig, sondern auch riskant wäre. Eine solche Maßnahme würde in vielen Fällen sogar zu höheren Kosten für Immobilientransaktionen führen. Ebenso ist der Vorschlag, das Grundbuch durch eine Blockchain zu ersetzen, bei genauerer Analyse unpraktikabel und sehr problematisch. Im Folgenden wird dargelegt, warum das Notariat eine unverzichtbare Instanz ist und das Grundbuchsystem beibehalten werden muss.
Der Zweck des Notariats im Immobilienrecht
Ein Notar erfüllt im deutschen Recht vielfältige Funktionen, die weit über die bloße Beurkundung eines Kaufvertrags hinausgehen. Beim Kauf einer Immobilie überprüft der Notar die rechtlichen Rahmenbedingungen, klärt die Vertragsparteien umfassend auf und sorgt für Rechtssicherheit und Transparenz. Der Notar muss dabei als neutraler Amtsträger auftreten, der die Interessen beider Parteien berücksichtigt und auf eine ausgewogene Vertragsgestaltung achtet. Stellt der Notar fest, dass ein Vertrag einseitige Regelungen enthält, ist er verpflichtet, die Beteiligten darauf hinzuweisen. Diese Neutralität unterscheidet seine Aufgabe deutlich von Rechtsanwälten, die einseitig die Interessen ihrer jeweiligen Mandanten vertreten.
Ein weiteres Merkmal des Notariats ist die klare und verbindliche Gebührenstruktur nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Bei einem Kaufpreis von 300.000 € und einer anteiligen Finanzierung von 200.000 € mit entsprechender Eintragung einer Grundschuld betragen die Notarkosten etwa 2.500 €, die in der Regel allein vom Käufer getragen werden. Das sind (entgegen der häufig falsch zu lesenden 1,5%) weniger als 1% des Kaufpreises. Würden hingegen beide Parteien jeweils einen Rechtsanwalt zur Vertragsgestaltung und -prüfung beauftragen, würden die gesetzlichen Rechtsanwaltskosten, die sich nach dem Rechtsanwaltsvergütugnsgesetz (RVG) richten, auf mindestens 4.270 € pro Partei steigen, also auf insgesamt mehr als 8.500 €. Dies liegt darin begründet, dass das RVG bei gleichem Wert deutlich höhere Gebühren vorsieht, als das GNotKG. Da Rechtsanwälte nicht als neutrale Vermittler fungieren, müssten in der Regel beide Seiten anwaltlich vertreten sein, damit nicht eine Seite „über den Tisch gezogen“ würde.
Ein privatschriftlicher Vertrag ohne notarielle oder anwaltliche Unterstützung wäre für Laien kaum umsetzbar, da wesentliche rechtliche Aspekte wie die Lastenfreistellung im Grundbuch ohne professionelle Hilfe nicht sichergestellt werden könnten. Dies zeigt, wie wichtig die Rolle des Notars bei der rechtssicheren Abwicklung von Immobiliengeschäften ist.
Rechtssicherheit und Haftung
Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Notariats liegt in der Haftung für die ordnungsgemäße Gestaltung des Vertrages. Der Notar haftet für Verletzungen seiner Amtspflichten mit seinem Vermögen und ist wiederum – normalerweise in Höhe mehrerer Millionen Euro – über eine verpflichtende Berufshaftpflichtversicherung abgesichert. Diese Haftung bietet den Beteiligten eine zusätzliche Sicherheit, z.B. für eventuelle Fehler des Notars bei der Gestaltung des Vertrages. Ohne die Einbindung des Notars würden rechtliche Unsicherheiten zunehmen, was zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Rechtsstreitigkeiten führen könnte. Solche Streitigkeiten sind nicht nur kostenintensiv, sondern auch zeitraubend und belastend.
Die Blockchain als Ersatz für das Grundbuch – eine Illusion der Kostenersparnis
Oft wird die Blockchain-Technologie als eine sichere und transparente Alternative zu traditionellen Systemen dargestellt. Tatsächlich bietet die Blockchain Vorteile hinsichtlich der Unveränderlichkeit und Rückverfolgbarkeit von Transaktionen. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Anforderungen eines hoheitlich geführten Grundbuchs und den Möglichkeiten einer Blockchain.
Das deutsche Grundbuchsystem dokumentiert nicht nur Eigentumsverhältnisse, sondern auch weitere Rechte und Belastungen, wie Grundschulden und Wegerechte. Es wird von staatlichen Grundbuchämtern geführt, die eng mit Notaren zusammenarbeiten, um hohe Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Blockchain hingegen ist eine dezentrale Technologie, die ohne zentrale Kontrolle funktioniert. Es fehlt eine Instanz, die Eintragungen überprüft und verwaltet. So kann im Grundbuch keineswegs einfach irgendetwas eingetragen werden, sondern das Grundbuchamt überprüft alle beantragten Eintragungen – wie auch deren spätere Löschung – auf das Vorliegen der jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen. Diese mangelnde Kontrollfunktion ist ein wesentlicher Grund, warum die Blockchain das Grundbuch nicht ersetzen kann. Ein rechtsverbindliches System erfordert staatlich garantierte Überprüfung und Integrität, die eine Blockchain nicht bieten kann.
Kostenfaktor und Risikoerhöhung
Wie vorstehend bereits erläutert, bietet das Notariat eine kosteneffiziente Lösung im Vergleich zu separaten Anwaltsbeauftragungen. Doch es sind nicht nur die direkten Kosten zu berücksichtigen, sondern auch die wirtschaftlichen Risiken, die aus rechtlichen Unsicherheiten resultieren würden. Ein ausgewogener notarieller Kaufvertrag dient dazu, mögliche Konflikte zu verhindern und so das Risiko von Rechtsstreitigkeiten so weit wie möglich zu minimieren. Tatsächlich zeigt auch die Praxis, dass Rechtsstreitigkeiten nach notariell beurkundeten Immobilienkaufverträgen sehr selten sind. Ohne notarielle Beteiligung stiege das Risiko für alle Parteien erheblich.
Rechtsstreitigkeiten infolge unklarer oder unvollständiger Verträge sind teuer und langwierig. Ein privat geschlossener Immobilienkaufvertrag ohne die Expertise eines Notars wäre vergleichbar mit dem Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs, bei dem Käufer und Verkäufer auf sich allein gestellt sind und häufig einfach ein Vertragsformular aus dem Internet ausfüllen. Jedoch handelt es sich bei Immobilien um weitaus höhere finanzielle Werte. Die Folgen eines fehlerhaften Vertrags können daher gravierend sein und nicht nur finanzielle Verluste, sondern auch langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen, welche sogar die wirtschaftliche Existenz gefährden könnten.
Der Notar sorgt durch seine neutrale und aufklärende Funktion dafür, dass ein Vertrag rechtssicher und ausgewogen ist. Diese Präventivmaßnahme schützt die Beteiligten nicht nur vor rechtlichen, sondern auch vor den daraus resultierenden wirtschaftlichen Risiken. Eine Abschaffung der Beurkundungspflicht für Grundstücksgeschäfte würde somit nicht zu einer Kostenersparnis führen, sondern vielmehr zu höheren Risiken und potenziell erheblichen Gesamtkosten.
Fazit
Die immer mal wieder aufkommende Forderung, das Erfordernis eines Notars bei Immobiliengeschäften abzuschaffen und das Grundbuch durch eine Blockchain zu ersetzen, ist eine Vereinfachung der Realität, die häufig von Personen gefordert wird, denen die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt nicht bekannt sind. Das Notariat bietet unverzichtbare Sicherheits- und Beratungsleistungen, die durch andere Akteure nicht im selben Umfang zu gleichen Kosten ersetzt werden können. Eine Abschaffung würde zu höheren rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken führen und könnte die Gesamtkosten für die Beteiligten letztlich erheblich steigern. Ebenso ist die Blockchain aufgrund ihrer dezentralen Struktur und der fehlenden staatlichen Kontrolle als Ersatz für das staatliche Grundbuch ungeeignet.
Die Kritik, dass die Erwerbsnebenkosten in Deutschland zu hoch seien, ist nachvollziehbar. Allerdings liegt dies weder an den Notarkosten (die tatsächlich bei weniger als 1% des Kaufpreises liegen und zudem im Übrigen auch MwSt. enthalten), noch an den Kosten für das Grundbuchamt. Hier ließe sich schon aufgrund des geringen Anteils an den Gesamtkosten kaum etwas sparen. Zu hoch ist hingegen die Grunderwerbsteuer, die in NRW bei 6,5% des Kaufpreises liegt! Eine Senkung der Grunderwerbsteuer auf beispielsweise 5% (in der Vergangenheit lag diese lange bei nur 4,5%) würde mehr Ersparnis bringen, als überhaupt insgesamt an Kosten für Notar und Grundbuchamt anfallen. Die Forderung nach einer Senkung der Grunderwerbsteuer hört man hingegen von politischer Seite höchst selten.
Autor: Rechtsanwalt und Notar Marc-Daniel VolkRechtsanwalt und Notar Marc-Daniel Volk