Filesharing-Abmahnungen – Kommt die Wende in der Rechtsprechung?
In einer wegweisenden Entscheidung beschäftigte sich das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt am 13.08.2015 (Aktenzeichen 8 C 1023/15) mit der Höhe eines sogenannten Lizenzschadensersatzes im Falle einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing.
In dem entschiedenen Fall warf die Rechteinhaberin einem Internetnutzer vor, ein Filmwerk über eine Filesharing-Software verbreitet zu haben, wobei sich der Ladenpreis für eine Lizenz auf 14,99 € belief.
In derartigen Fällen wird üblicherweise durch die Lizenzinhaber zunächst der Anschlussinhaber abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Im weiteren Verlauf zieht sich ganz regelmäßig ein Rattenschwanz nach, da nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung auch die Kosten für die Abmahnung und darüber hinaus ein Lizenzschadensersatz gefordert werden.
Zur Frage der Störerhaftung sowie der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers erschienen in den letzten Jahren zahlreiche Entscheidungen. Die Rechtslage ist gleichwohl noch immer nicht vollständig geklärt. Noch problematischer gestaltet sich die Frage des Lizenzschadensersatzes. Geklärt ist insoweit, dass ein zu Recht in Anspruch genommener Internetnutzer den Betrag als Schadensersatz zahlen muss, den der Erwerb der Lizenzen üblicherweise gekostet hätte.
Bislang gehen die Gerichte jedoch häufig davon aus, dass die im Rahmen des Filesharing vom Internetnutzer angebotenen Werke hunderte Male heruntergeladen werden, was zu entsprechend hohem Lizenzschadensersatz entführt.
Ein technisch sehr versierter Richter des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt hat nun einmal in die technische Seite betrachtet und verdeutlich, dass der Fall eben nicht mit der Zurverfügungstellung auf einem Server gleichzusetzen ist. Üblicherweise wird im Rahmen der Ermittlungen der Musik- und Filmindustrie nur erfasst, dass ein bestimmtes Werk zu einem einzelnen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt wurde, nicht die Dauer, in welcher dieses zur Verfügung stand. Nach Ansicht des Richters ist in den meisten Fällen davon auszugehen, dass die Zurverfügungstellung nur aufgrund der technischen Umstände während des eigenen Herunterladens erfolgt, üblicherweise jedoch nicht im Zeitraum danach, da der Benutzer die Datei dann regelmäßig in einen anderen Ordner auf dem PC verschiebt.
Hieraus zieht der Richter zutreffender weise den Schluss, dass aufgrund des unterschiedlichen Verhältnisses handelsüblicher Internetanschlüsse zwischen der Upload-Rate und der regelmäßig um ca. Faktor 10 größeren Downloadrate innerhalb der Download-Zeit regelmäßig nicht mehr als 10 % der Datei wieder an andere Nutzer hochgeladen werden können.
Richtigerweise schließt er hieraus ebenfalls, dass der Lizenzschadensersatz dann nur noch mit einem Bruchteil des Ladenpreises angesetzt werden kann.
Diese Entscheidung ist ausgesprochen begrüßenswert, geht sie doch endlich einmal auf die technischen Voraussetzungen des Filesharing ein und berücksichtigt insbesondere, dass die Zurverfügungstellung der Datei nur eine zwingende Begleiterscheinung des Herunterladens darstellt. Das Herunterladen selbst ist hingegen in keinem der üblichen Fälle Streitgegenstand.
Für betroffene Internetnutzer zeigt sich einmal mehr, dass die Rechtslage nicht einfacher wird. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung ein Einzelfall ist, oder möglicherweise der Beginn einer längst überfälligen Wende in der Rechtsprechung.
Angesichts häufig bereits in den von der Musik- und Filmindustrie vorgefertigten strafbewehrten Unterlassungserklärungen enthaltenen Klauseln, sollten Betroffene möglichst frühzeitig kompetente anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um die Angelegenheit möglichst abschließen zu können, bevor die Rechteinhaber in das gerichtliche Verfahren eintreten.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Marc-Daniel Volk